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Allo – Das Märchen vom Lendhafen. Temporäre Installation von Alfredo Barsuglia

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Allo – Das Märchen vom Lendhafen

Seit drei Tagen lag dichter Nebel über der Stadt Klagenfurt. Der Nebel war so dicht, dass man kaum zwei Meter weit sehen konnte. Niemand in der Stadt konnte sich erinnern, jemals solch ein Naturereignis erlebt zu haben. Der Straßenverkehr kam zum Erliegen, die Schulen waren geschlossen und die Menschen blieben zu Hause. Die Stadt war wie ausgestorben. Kein Vogel zwitscherte, kein Insekt summte. Es war mucksmäuschenstill, denn alle Geräusche wurden vom Nebel verschluckt.

Es geschah am Freitag, den 7. Juni 1974, am Morgen des vierten Tages des außergewöhnlichen Nebels, als der pensionierte Lehrer Anton Fiedler mit seinen zwei Hunden widerwillig die Wohnung verlassen musste, um sie auszuführen. Bevor er das Haus verließ, streckte er seinen Kopf aus der Tür, blickte nach links und nach rechts und sah… nichts, außer Weiß. Die Luft war feucht und kalt. Er schlug den Kragen seiner Jacke hoch und schritt auf die Straße, die zum nahegelegenen Lendhafen führte, wo seine Hunde für gewöhnlich ihr Geschäft verrichteten. Den Weg kannte Herr Fiedler gut, denn schon seit vielen Jahren ging er ihn mehrmals täglich. Es war für ihn so, wie wenn er nachts ohne Licht durch seine ihm wohlbekannte Wohnung wandeln würde. Er brauchte nicht sehen zu können, dachte er, denn er war sich sicher, jeden Zentimeter des Weges zu kennen, als er plötzlich keinen Boden mehr unter seinen Füßen spürte und geradewegs ins Wasser des Lendhafens stürzte. Der pensionierte Lehrer hörte wie sein Körper auf die Wasseroberfläche prallte, fühlte aber keine Nässe und vor seinen Augen tat sich eine bunte Welt auf, in der es kein Oben und kein Unten gab. Schwerelos schwebte er langsam an runden und weichen Formen vorbei, als ihn völlig unerwartet, hinter einer hügelähnlichen Rundung, sechs große Augen überrascht anstarrten. Es waren Augen von kugelrunden Wesen, die nur aus einem Kopf bestanden. Die Köpfe und Anton Fiedler schwebten einander gegenüber und betrachteten sich sehr, sehr lange gegenseitig. Umso länger sie sich anschauten, desto mehr hatte Herr Fiedler das Gefühl, dass er ihre Gedanken lesen konnte. Das erste Wort, das er telepathisch zu erfassen glaubte, klang wie ein Hallo ohne H, also Allo. Schon bald verstand der pensionierte Lehrer, dass die Sprache der Kugelkopfwesen dem Deutschen sehr ähnlich war, außer, dass darin kein H vorkam. So konnten sie sich unterhalten, tauschten sich aus und erzählten einander die unglaublichsten Geschichten aus ihrem Leben. Die vier schwebten vollkommen losgelöst von Raum und Zeit durch die bunte Landschaft und erfreuten sich aneinander, bis Anton Fiedler ruckartig nach hinten gerissen wurde. Hilfesuchend streckte er die Arme nach seinen neuen Freunden aus, konnte aber keinen Halt finden und wurde immer weiter von ihnen entfernt. „Allo“, rief der pensionierte Lehrer gedanklich, als er die drei Wesen fast nicht mehr sehen konnte und aus dem Wasser gezogen wurde. Seine Hunde bellten. Der Nebel war verschwunden. Viele Menschen standen um ihn herum. Es war ihm kalt.

Ausstellungsdauer: 07.06.-04.08.2024

Eröffnung am Fr., 07.06.2024, 19:30 Uhr im Lendhafen

Im Anschluss: Konzert von Rambo Rambo Rambo

In seinen Werken erkundet Alfredo Barsuglia die vielschichtige Beziehung zwischen Kunst und Gesellschaft. Er versucht mit seinen Werken immer wieder Erwartungshaltungen zu brechen und Situationen zu konterkarieren, um einen Diskurs über vermeintlich Belangloses und scheinbar Alltägliches zu erzeugen. Seine Arbeiten nehmen Bezug auf gesamtgesellschaftliche Themen und reflektieren gesellschaftliche Strukturen und Normen. Kunst und Kommunikation liegen für Barsuglia ganz nahe beieinander. Seine zentrale Frage ist, wie man mittels Kunst gesellschaftliche, ökonomische und ökologische Wertvorstellungen reflektieren und hinterfragen kann. So auch bei seiner neuesten Arbeit „Allo“ im Lendhafen in Klagenfurt, in der es um Toleranz und Akzeptanz geht:

Drei große, bunte Kugelkopfwesen schwimmen im Wasser des Lendhafens. Die Wesen sehen aus wie versunkene Figuren aus einem Vergnügungspark, bei denen nur der obere Teil des Kopfes aus dem Wasser ragt. Sie sind Fremdkörper im Wasser. Sie sind rätselhaft. Sie geben Rätsel auf, ohne selbst aktiv zu sein. Sie tun nichts. Sie sind einfach da und bleiben.

 

Foto: Johannes Puch

Alfredo Barsuglia (*1980) lebt und arbeitet in Wien, wo er 2003 sein Studium an der Universität für angewandte Kunst und der Akademie der bildenden Künste abschloss. Barsuglias künstlerisches Schaffen zeichnet sich durch eine multidisziplinäre Herangehensweise und einen Zusammenschluss verschiedener Ausdrucksformen, Medien und Techniken aus. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Monsignore Otto Mauer Preis (2019), den Kunstförderungspreis der Stadt Wien (2015) und den Theodor Körner Preis (2013).

 

RAMBO RAMBO RAMBO vereint eine Vielzahl von Musikstilen, von Sixties-Art-Pop bis Sludge-Rock, und bricht mit konventionellen Erwartungen. Mit einem einzigartigen Mix aus bretternden Riffs, rumpelnden Beats und mehrstimmigem Gesang zeigt die Wiener Band eine kritische Haltung gegenüber gesellschaftlichen Themen und beweist gleichzeitig musikalisches Können und Innovationsgeist.

Foto: Johannes Puch

 

Bei Schlechtwetter findet das Konzert im Lendhafencafé LC (Villacher Straße 18) statt.